Was ist Sucht?

Was ist Sucht?


 



Diese Frage ist für Betroffene wie auch Angehörige gleichfalls wichtig und doch so schwer zu beantworten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Sucht als einen „Zustand periodischer oder chronischer Vergiftung, hervorgerufen durch den wiederholten Gebrauch einer natürlichen oder synthetischen Droge“.

Sind unsere Fragen nun beantwortet? Ich denke nicht und diese Krankheit ohne einen Versuch der Erklärung als Krankheit stehen zu lassen, doch mehr als kritisch zu betrachten.

„Ich bin doch krank, also es ist doch mein Krankheitsbild, wenn ich konsumiere.“ Diese Aussage, um diese nicht Ausrede zu nennen, deutlich und nicht verkehrt. Und hier liegt die Gefahr. 

Wie kann ich aber eine Krankheit erklären, wenn ich keinerlei Maßstab habe? Berechtigte Frage, denn Sucht hat zum größten Teil einen emotionalen Hintergrund. Erklären so gut wie unmöglich, aber vielleicht anhand einiger Beispiele können wir eine Erklärung nachvollziehen bzw. erfühlen.

Wenn wir Sucht als eine Mangelerscheinung von Liebe betrachten, so kommen wir dem Kern sehr nahe.

Liebe gibt es in sehr vielen Facetten, Selbstliebe, Eigenliebe, Nächstenliebe, Führliebe, die Liebe zu einem Menschen, die Liebe zu den Kindern und noch so vieles mehr.

Irgendwann in der Vergangenheit gab es einen Zeitraum, der erheblichen Mangel an Liebe aufweist. Im Nachhinein können wir nur sehr schwerlich diesen leeren Raum füllen. Es bleibt ein Vakuum in der Vergangenheit mit chronisch verbleibenden Seelenschmerzen. 

Hier kommt das Suchtmittel ins Spiel, der uns diesen Schmerz lindert und ein friedlicher Ausgleich schafft. Der Konsum ist wie eine Parkbank nach langem Weg, endlich einmal ausruhen zu können.

Stellen wir uns einen Herzinfarkt vor. Gewebe wird nicht mehr durchblutet und stirbt ab. Bei einem leichten Herzinfarkt können wir vielleicht noch ein normales Leben führen, erst bei Überlastungen bemerken wir, dass wir außer Atem kommen. Bei schwereren Herzinfarkten müssen wir vielleicht eine Operation hinnehmen um das noch lebende Gewebe ausreichend durchbluten zu können.

So ist es auch mit der fehlenden Liebe zu seiner Zeit. Es ist Gewebe abgestorben und vernarbt, was immer mal wieder Schmerzen auslösen wird. Hier ist die Gefahr der Schmerzbetäubung recht groß. Schließlich weiß der Patient mittlerweile was den Schmerz zum Stillen bringt. Die Gedanken an das Suchtmittel werden immer dann wiederkommen, wenn es diesen oder ähnlichen Schmerz auslösen wird. Ja man kann deutlich sagen, diese Sehnsucht nach Liebe wird chronisch bleiben.

In einer Beziehung entwickeln wir mit der Zeit Antennen die uns mit dem Partner oder der Partnerin emotional zu verbinden. Ist die Partnerin unglücklich, so bemerkt es der Partner sehr schnell. Ist der Partner betrübt, so fühlt das die Partnerin. Wenn beide nun Ihre Sorgen nicht miteinander besprechen, bleibt dem anderen nichts anderes übrig als zu rätseln. Was hat der oder die nur, liegt es vielleicht an mir? Und hier ist in der Sucht der Schlüssel zur Co-Abhängigkeit recht groß.

Kommen wir zurück zur Sucht.

Sucht ist nunmehr keine Schürfwunde, die äußerlich sichtbar ist und dementsprechend mit einem Pflaster zur Heilung abgedeckt werden kann. Sucht ist also etwas Emotionales. Sehr oft sind es Mangelerscheinung an „Selbstliebe“. Oftmals fühlt sich der Suchtkranke innerlich derart schlecht, dass er sich selbst ablehnt. Um das zu verbergen, wird auch oft das Suchtmittel verwendet, um den innerlichen Spiegel für kurze Zeit im Dunst des Rausches zu vernebeln. Man mag sich nicht. 

Dieses Verhalten kann in frühen Zeiten derart geprägt sein, dass auch Therapeuten an Ihren Grenzen geraten. Dann können nur Taktiken gelernt werden, um schlimmeren Selbsthass zu umgehen. Hier treffen wir auf verschiedene Persönlichkeitsstörungen, die hier aber nun zu weit führen.

Halten wir fest, dass Sucht eine Lücke an Liebe in der Vergangenheit ist. Hier ist es ratsam mit professioneller Hilfe die Lücken zu kennzeichnen und aufzuarbeiten. Oft hilft eine Selbsthilfegruppe dabei, die Richtung des neuen Weges nicht aus den Augen zu verlieren. 

Sucht ist so mannigfaltig in seiner Entwicklung, so vielseitig in den Suchtmitteln, dass keine Sucht mit der anderen zu vergleichen ist. Lediglich in der Abstinenz und dem Weg dahin können wir hier und da von Anderen uns etwas abschauen. 

 

 

                                                                               (Reinhard Petz 2021)